Rede des Bürgermeisters zum Volkstrauertag 2025
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen,
liebe Mitglieder des VdK, der Vereine, der Feuerwehr und unserer Jugend,
wir versammeln uns heute - wie in jedem Jahr - in stillem Gedenken.
Wir gedenken der Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terror, der unzähligen Männer, Frauen und Kinder, deren Leben durch Krieg, Verfolgung und Menschenverachtung ausgelöscht wurde.
In diesem Jahr hat unser Gedenken eine besondere Tiefe:
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Im Mai 1945 verstummten endlich
die Waffen in Europa - nach sechs Jahren unermesslichen Leids, nach
Millionen von Toten, nach Zerstörung, Hunger und Flucht.
Für Deutschland bedeutete das Kriegsende zugleich Niederlage und Befreiung. Befreiung von einer menschenverachtenden Ideologie, die Hass, Raßismus und Größenwahn über Mitmenschlichkeit stellte. Befreiung von einem System, das in Lagern und an Fronten unvorstellbares Leid verursachte.
Auch hier bei uns in Gau-Odernheim hat diese Zeit ihre Spuren hinterlassen. Unsere Gemeinde war - wie viele Orte im Land - zur Zeit des Nationalsozialismus eine Hochburg der braunen Bewegung. Was damals geschah, darf nicht vergessen werden. Aber wir dürfen mit Stolz sagen: Gau-Odernheim hat sich gewandelt. Aus einer Gemeinschaft, die einst verführt wurde von Hass und falschen Versprechungen, ist eine offene, demokratische und solidarische Gemeinde geworden. Ein Ort, der für Vielfalt, für Zusammenhalt und für gegenseitigen Respekt steht.
Dieser Wandel war nicht selbstverständlich. Er war das Ergebnis von Mut, von Verantwortungsbewusstsein, von der Bereitschaft, aus der Geschichte zu lernen. Und genau diesen Geist müssen wir heute wachhalten.
Denn: Auch heute, 80 Jahre nach dem Ende des Krieges, stehen wir wieder an einem Punkt, an dem Populisten und Extremisten von links und vor allem von rechts versuchen, die Gesellschaft zu spalten. Sie säen Misstrauen, sie verbreiten Hass, sie spielen mit Ängsten und bedienen sich wieder jener einfachen Parolen, die schon einmal in die Katastrophe geführt haben.
“Man wird ja mal sagen dürfen” - dieser Satz, der damals wie heute benutzt wird, klingt harmlos, aber allzu oft ist er das Einfallstor für Intoleranz und Menschenverachtung. Deshalb dürfen wir nicht schweigen, wenn erneut Rattenfänger versuchen, Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Wir müssen ihnen widersprechen - klar, fest und demokratisch. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den Toten, denen wir heute gedenken. Aber es ist auch unsere Verantwortung gegenüber den Lebenden - gegenüber unseren Kindern und Enkeln.
Der Volkstrauertag ist kein Tag, der in der Vergangenheit stehenbleibt. Er ist ein Tag der Mahnung und der Ermutigung. Er erinnert uns daran, dass Frieden nicht selbstverständlich ist, dass Freiheit gepflegt werden muss und dass Demokratie täglich neu verteidigt werden will.
Wenn wir auf die Welt schauen, sehen wir, wie fragil Frieden bleibt: in der Ukraine, im Nahen Osten, in so vielen Krisenregionen. Das Leid der Menschen dort erinnert uns daran, wie wertvoll und zerbrechlich das Gut des Friedens ist.
Darum lasst uns heute gemeinsam sagen: “Nie wieder” - nicht nur als Formel, sondern als Verpflichtung. Nie wieder Hass, nie wieder Rassenwahn, nie wieder Krieg.
Gedenken heißt, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für ein friedliches Miteinander, für Respekt und Menschlichkeit hier in Gau-Odernheim, in Rheinland-Pfalz und in unserem Land.
Im Namen der Ortsgemeinde Gau-Odernheim haben wir diesen Kranz niedergelegt
- als Zeichen des Erinnerns, des Dankes und der Mahnung.
Wir gedenken aller Opfer der beiden Weltkriege, aller Opfer von Terror,
Diktatur und Gewalt - damals wie heute.
Mein Dank gilt heute besonders dem VdK mit Herrn Schöller, dem Blasorchester und Herrn Franz Josef Schefer sowie den Fahnenabordnungen der Vereine. Sie alle tragen dazu bei, dass das Gedenken lebendig bleibt.
Möge unser heutiges Innehalten uns Kraft geben, das zu bewahren, was Generationen vor uns mühsam aufgebaut haben: eine friedliche, gerechte und demokratische Heimat.
Ich danke Ihnen
Heiner Illing
Ortsbürgermeister Gau-Odernheim